PROJEKT

Hintergrund

Das FWF-Projekt Performing Gender in View of the Outbreak strebt eine erstmalige systematische, exemplarisch auf Österreich bezogene Analyse der politischen und kulturellen Implikationen von COVID-19 an und fragt aus intersektional informierter Perspektive nach den genderspezifischen performativen Prozessen, die die Auswirkungen der Krise moderieren und mitgestalten. Leitend ist die Prämisse, wonach gerade Frauen innerhalb des inszenierten politischen Krisenmanagements eine paradoxe (Un-)Sichtbarkeit zukommt. Während sie als Politikerinnen, Ärztinnen und Virologinnen deutlich unterrepräsentiert sind, nehmen sie hingegen als Objekte der diskursiven Auseinandersetzung mit der Krise eine auffallend dominante Rolle ein. Mit der inflationären Stilisierung von Frauen als „Systemerhalterinnen“ aber geht eine perfide Reproduktion paternalistischer Stereotype einher, die Frauen ganz selbstverständlich mit Mutterschaft und (unbezahlter) Care-Arbeit in Verbindung setzt. Die Verhaltenserwartungen, die durch derartige Strategien kommuniziert werden, fordern und fördern die Übernahme traditioneller Rollen durch Frauen. Gleichzeitig, so die These, begünstigt die vordergründige diskursive Aufwertung von Frauen die Inszenierung antitoxischer Männlichkeit und unterstützt die auftretenden Akteure dabei, sich als frei von sexistischen Tendenzen zu gerieren. Umgekehrt orientiert sich die politische Kriseninszenierung der auftretenden (männlichen) Akteure an Konzepten der aufgabenbezogenen Kompetenz und Instrumentalität und bringt in diesem Kontext Figurationen des Athleten, des Übervaters, des Erlösers und des Oberbefehlshabers hervor, die wiederum die beschriebene Zurückdrängung von Frauen in alte, passive Rollenbilder vorantreibt.

Forschungsfragen

Ausgehend von den oben skizzierten Thesen widmet sich das Projekt folgenden Leitfragen: Wie wird Gender angesichts der pandemischen Gesundheits- und Wirtschaftskrise von politischen Repräsentant*innen performt? Auf welche choreographischen, ikonographischen und sprachlichen Elemente stützt sich die intermediale Apparatur dieser Performance(s)? Welche geschlechtlichen Rollenbilder werden im Zuge von COVID-19 implementiert bzw. perpetuiert? Inwiefern schreiben sich sportliche, religiöse und militärische Metaphern in den männlich-autochthon inszenierten Macht- und Rettungsdiskurs ein? Welche ethno-nationalen Stereotype leben in diesem Kontext nach? 

Methodischer Ansatz

Das Projekt strebt eine Verknüpfung der theaterwissenschaftlichen Auftrittsforschung mit Ansätzen der Feminist Critical Discourse Analysis an. Das Konzept des Auftritts wird dabei zur Beschreibung von Prozessen politischer Repräsentation herangezogen und im Zusammenhang ihrer spezifischen Medialität weiterentwickelt. Diese methodische Verknüpfung ermöglicht eine zielsichere Analyse der Mediatisierung politischer Inszenierungen und ihrer historisch gewachsenen Anschauungen, Ideologien und (vergeschlechtlichten) Wissensbestände im Kontext von COVID-19.

Innovative Aspekte

Das Vorhaben reagiert auf den grundlegenden Mangel an genderspezifischen Analysen innerhalb der Erforschung von bzw. der politischen Auseinandersetzung mit Pandemien. Es berührt zentrale soziopolitische Diskurse unserer Zeit, stellt diese in einen historischen wie globalen Kontext und versteht sich somit als gesellschaftlich relevante Grundlagenarbeit, die die bisher sozialwissenschaftlich orientierten Perspektiven zur Erforschung der aktuellen Pandemie produktiv um theater- und kulturwissenschaftliche Sichtweisen erweitert. 

Hard facts

Das Projekt wird im Zuge der Akutförderung SARS-CoV-2 des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert (Volumen: Euro 250.645,00) und von Dr. Silke Felber geleitet (Mitarbeit: Mira Achter). Es wird von 2021-2024 am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien durchgeführt.